„Ich wage es noch nicht zu ahnen!"

Wolfgang Zimmermann in der DNN nach der  Premiere von „Casanova in Dresden" im Altstrehlener Kleinkunstkeller

Casanova„Die Liebe besteht zu drei Vierteln aus Neugier!" soll er seinerzeit mal gesagt haben; jener Chevalier de Seingalt, der aber eher unter den Namen Giacomo Casanova bekannt wurde. Dass der Venezianer stets und ständig neugierig auf das andere Geschlecht war, ist alles andere als ein Geheimnis. Man kann das u.a. in seinen umfangreichen Memoiren nachlesen. Neben den zahllosen Amouren beschreibt Casanova darin aber auch seine Reisen, die ihn quer durch Europa und selbst bis ins russische Petersburg führten. Logisch, dass es ihn auch hin und wieder nach Dresden zog. Schon deshalb, weil seine Mutter hier als Opernsängerin unter Vertrag war und sein Bruder Giovanni Battista eine Anstellung als Direktor der Dresdner Kunstakademie hatte. Ob Casanova aber jemals im hiesigen Schloß Nöthnitz abgestiegen war und ob er dort seine Theorie von der möglichen Wiedergeburt in einem jungen Körper an der schon etwas verwelkten Schloßherrin ausprobiert hat, muss wohl eher ins Reich der Fantasie verbannt werden. Nichtsdestotrotz aber birgt allein die Annahme, dass es so gewesen sein könnte genügend Stoff zum ausgiebigen Fabulieren. Und auf dieser Basis ist auch jene vergnügliche sächsische Episode aus Giacomo Casanovas Leben entstanden, von der Anette Paul (Gräfin Nöthnitz), Frank Peters (Graf Nöthnitz) und Carsten Linke (Casanova) in dem Stück „Casanova in Dresden" erzählen. Die Premiere der deftig-humorvollen Komödie fand am 16. bzw. 17.Oktober 2010 in „Franks Kleinkunstkeller" in Altstrehlen statt.

Die Konstellation der Figuren ist dabei bereits die halbe Miete; man befindet sich im Jahre 1766 und für sie als „scheen sächselnde" und sexuell ausgehungerte Gräfin betritt mit Casanova ein Mann von Welt das heimische Schloss. Logisch, dass sie dem auf Anhieb verfällt. Auch deshalb, weil die Blicke des ihr angetrauten Grafen eher auf den unteren Körperbereichen diverser junger Stallburschen verweilen. Nun hat die Gräfin zwar genügend „Kohle", dafür haperts aber erheblich an ihrer Allgemeinbildung. Sie quittiert des Venezianers charmante Konversation mit dem Seufzer „O'r nee, ihr Franzosen!" und überhört dabei geflissentlich seinen leisen Protest „Madame, ich bin Italiener!". Sie spricht einfach weiter, meint „Nee, nee - diese Franzosen mit ihrer Charmanz!"  

Sie hat auch keine Ahnung, wer Voltaire ist, versucht sich aber dennoch an einer gebildeten Konversation. So gibt sie zum Beispiel die unlogische Feststellung „Ich wage es noch nicht zu ahnen!" zum Besten. Verzweifelt aber kurz danach wieder an dem Wort Okkultismus. Ihr Trachten gilt ganz allein seiner Manneskraft. Natürlich nimmt er sie; nicht nur ein- sondern insgesamt achtmal. Sie gibt sich ihm sehr bereitwillig hin. Denn all das - glaubt sie - dient allein dem Zwecke ihrer Wiedergeburt in einem jungen und schönen Körper. Dieser Wunsch geht natürlich nicht in Erfüllung, dafür aber kann sie späte Mutterfreuden genießen, denn „Unser kleiner Gino-August ist da!" freut sich die Gräfin, während der Graf schon nach dem nächsten Stallburschen schielt...

(Bei uns in neuer Bearbeitung zu sehen am 28.1., 21.4. und 6.5.2011)