Der Donnerstag als Glückstag

Mit großer Stimme huldigt die Dresdner Schauspielerin Kati Grasse einer kleinen Stimmgöttin

Dresdner Nachrichten, 22.04.2010

Sie schafft das mühelos. Mit ihrer Stimme, die von ganz tief unten und ganz tief hinten zu kommen scheint, füllt sie den Raum.Sie lässt die Töne herausbrechen wie eine Naturgewalt - und das in sich so stimmig, dass man in dieser Gewalt kleinste Nuancen spürt. Kati Grasse singt Edith Piaf. Nicht nur das. Sobald sie vors Mikro tritt, schlüpft sie in die Haut der Pariser Chansonette - um sich Sekunden später, mit einem Lächeln zwischen verschmitzt und bescheiden, in Kati Grasse zurückzuverwandeln, in eine Frau, die im Dresdner Kulturleben an Edith Piaf erinnert, an ihr widersprüchliches aufreibendes Leben, ihre Sehnsüchte und ihre große Kunst.

Von Thessa Wolf

"Sie hat mir einen Funken der Flamme hinterlassen, von der sie selbst verzehrt wurde", hat Georges Moustaki einmal über die Piaf gesagt. Die Liebesaffäre des jungen Mannes mit der zu dieser Zeit schon über 40-jährigen Sängerin brachte der Musikwelt das bekannte "Milord" -ein Titel, bei dem jeder sofort andie Frau denkt, die wegen ihres Künstlernamens Piaf und ihren 1,47 Metern gern auch der "Spatzvon Paris" genannt wird. Nun ist ein direkter Vergleich zur 1963 verstorbenen Sängerin schwerlich möglich. Vor allem aber ist er unnötig. Denn Kati Grasse singt mit solcher Inbrunst und Leidenschaft, dass das Zuhören zum puren Vergnügen wird. Ihre tiefe Stimme rollt und stoppt, fliegt hoch und gurrt. Und weil irgendeiner der zahlreichen Liebhaber der Piaf mal erklärt hat: "... dolle Stimme - der kommt's aus den Eingeweiden", ist schließlich doch ein Vergleich möglich - einer, der sich auf genau diese Aussage bezieht.
Doch der Chansonabend "Nein, ich bereue nichts - EdithPiaf" in der seit diesem Jahr neuen Spielstätte des Dresdner Comedy & Theater Clubs in der Secundo Genitur beginnt verhalten. Es dauert eine Weile, bis sich Kati Grasse in Fahrt gesungen hat. Etwas statisch wirkt zunächst auchder Wechsel zwischen Chanson und erzähltem Leben. Das Leben findet am Tisch statt, der rechts auf der Bühne steht. Und es wechselt hin und wieder nach links, wo Robert Jentzsch am Piano und wahlweise mit einem Akkordeon sitzt. Denn auch er erzählt und schauspielt mit. Dabei darf er mal den Zuhälter geben und mal den Boxer - alles im Sitzen. Es ist ohnehin verwunderlich, dass das Leben der Piaf in einen ganzen Abend zu passen scheint. Nur bruchstückhaft ist dies zubewerkstelligen. Eine Jahreszahl, ein Ereignis, ein kurzer Dialog und auch Erinnerungen, welche die Sängerin selbst verfasst hatte, wechseln sich ab. "Man hält mich für stark und zynisch", hat Edith Piaf einmal gesagt. "Dabei bin ich im Innern ein leichtgläubiges Mädchen geblieben, was diesem Traum nachjagt: zu lieben und geliebt zu werden."
Ihr Glückstag war der Donnerstag. Auf alles, was ihr Sternbild Schütze betraf, hat sie großen Wert gelegt. Die meisten ihrer Chansons erzählen Geschichten, viele haben ein trauriges Ende. Obwohl die Texte französisch gesungen werden, kann man mit Kati Grasses Stimme Freude und Trauer gut hören. Das Wort Amour, kommt öfters vor - und das ist auch dem deutschen Publikum gut bekannt. Die reichlich 20 Chansons perlen an der Schauspielerin herunter, die in ihrem schwarzen Kleid und demschulterlangen gelockten Haar in anderen Sphären zu sein scheint, wenn sie singt. "La vie en rose", "Padam ... Padam ..." und "Non, je ne regrette rien" werden zu den Höhepunkten des Abends. "Nein, absolut gar nichts/nein, ich bereue nichts/Weder das Gute, dass man mir angetan hat/Noch das Schlechte, beides ist das Gleiche für mich", heißt es übersetzt in letzterem.

Information:
weitere Termine: 30. Mai und 18. September
(dann als französischer Abend mit Drei-Gänge-Menü)
Kartentelefon : 0357/ 46 4487