"Kaviar, Sex & Russisch Brot" - Premiere am 22.10.2010
DNN vom 25. Oktober 2010
„Dorogije Drusja!" - Premiere für einen „russischen Abend" im
Secundo Genitur
Man muss die Sitte des Duells schon sehr mögen, wenn man deshalb auf ein ziemliches Pfund des eigenen Stolzes verzichtet. Der bärbeißige Gutsbesitzer Smirnow jedenfalls hat alles andere als gute Laune, als er bei der Witwe des benachbarten Gutsbesitzers Popow aufkreuzt, um von ihr ein ansehnliches Sümmchen Geld einzufordern, dass deren verstorbener Mann ihm schuldet. Sie aber möchte in ihrer tiefen Trauer nicht gestört werden und will sich erst mit der Angelegenheit beschäftigen, wenn ihr größter Schmerz überwunden ist. Smirnow lässt nicht locker, droht und pocht unablässig auf sein Recht. Sie schimpft ihn einen grobschlächtigen Bären, er fordert sie darauf zum Duell. Und ist über alle Maßen verwundert, als sie kurz das Zimmer verlässt und mit zwei Pistolen zurückkehrt. Sie habe zwar keine Ahnung vom Duellieren, doch um der Ehre willen sei sie bereit dazu. Über soviel Courage ist Smirnow anfangs verblüfft, dann aber so begeistert, dass er sich spontan in sie verliebt.
„Der Bär" gehört zu jenen Theater-Einaktern, von denen Anton Tschechow einige geschrieben hat. „Das kurze Stück füllt keinen Theaterabend und deshalb kombiniert man es meist mit dem „Heiratsantrag" - einem anderen grotesken Einakter. So auch am vergangenen Samstagabend im „Secundo Genitur" auf der Brühlschen Terrasse, wohin der „Dresdner Comedy & Theaterclub" zur Premiere eines solchen russischen Abends unter dem sehr verführerischen Titel „Kaviar, Sex und Russisch Brot" geladen hatte. Zugegeben; solch Titel verweist auf eine Mixtur, deren Zusammenstellung in der Praxis recht schwer zu realisieren ist. Gerade diese drei Zutaten in etwa jeweils gleicher Menge zusammen zu bekommen hört sich sehr viel einfacher an, als es ist. Na gut; Russisch Brot gab es ausreichend, denn das steuerte der Dresdner Hersteller dieser Spezialität bei. Den Sex innerhalb des Programms zu entdecken, war ungleich schwieriger. Die Altmeister der russischen Literatur hielten damit ziemlich hinterm Berg. Und Kaviar war gar nicht im Angebot; höchstens als umschreibender Begriff für den Esprit der Texte. Dafür reichte man jedem Gast am Eingang ein Gläschen Wodka. Serviert von den drei „Russen" des Abends; die wiederum identisch waren mit den drei Dresdner Schauspielern Bianka Heuser, Jörg Bretschneider und Gerhard Hähndel. Zum Auftakt hörte man eine Story über die Beschaffenheit der russischen Seele im Suff, danach wurde zeremoniell die russische Hymne abgespielt, wozu das Publikum sich gefälligst von den Stühlen zu erheben hatte. Eine Rede in russischer Sprache folgte, die mit „Dorogije Drusja ...!" begann und mit „Sadidjes!" endete. Alles so, wie es eben das diplomatische Protokoll vorschreibt. Und erst dann kam das Theater zu seinem Recht. Mit Tschechows brillanter Satire „Der Heiratsantrag" nämlich, in der sich die Borniertheit mit der Dummheit zahllose Techtelmechtel liefert und in der sich die Handlung in grotesken Windungen zum Höhepunkt hinaufschraubt. Es ist ein nicht totzukriegendes und ein außerordentlich vergnügliches Stückchen Theater, in dem die drei auch zeigen konnten, wie intensiv und gut sie ihr Handwerk verstehen. Krönender Abschluss des Ausflugs zu Mütterchen Russland schließlich war der Vortrag zweier berühmter russischer Klassiker. Einerseits Sergej Michalkows groteske Fabel „Der Hase im Rausch" und andererseits Michael Sostschenkos grandiose Aufklärungskampagne über die Vorhaben der jungen Sowjetmacht, bekannt unter dem Titel „Die Kuh im Propeller". Ersteres Husarenstück trägt Bianka Heuser mit einem nuancierten Gefühl für die Pointe vor, am zweiten arbeitete sich Gerhard Hähndel mit dem nötigen Pathos ab. Falsch machen kann man bei solchen Texten natürlich kaum etwas. Und all jene, die dabei unermüdlich auf die Interpretationen von Manfred Krug („Die Kuh im Propeller") und Eberhard Esche („Der Hase im Rausch") verweisen, sei ins Stammbuch geschrieben, dass es ebenso spannend sein kann, mal dem Vortrag anderer gestandener Mimen zu lauschen.
Vollends rund im Sinne von „Mütterchen Russland" machte den Abend nicht zuletzt das dreigängige Menü; denn das bestand aus einem echten Bortschtsch als Vorspeise, einem Paar „Kiewer Hühnerkoteletts" als Hauptgang und einem „Malakofftörtchen" als Dessert.
„Kaviar, Sex & Russisch Brot" kann man wieder erleben am 5. und 27. November, sowie am 16. und 17. Dezember 2010, jeweils ab 20.00 Uhr. Bestellungen unter Tel.Nr. 0351 - 4644877 oder per Mail unter post@comedytheaterclub-dresden.de
W. Zimmermann